22. Januar 2024



(Rezept am Ende)
Dr. Richard Kimble – im Film „Auf der Flucht“ gespielt von Harrison Ford – ist so ziemlich einem der ersten filmischen Erinnerungen, die sich in meinem Kopf bis heute manifestiert haben. In gewisser Weise Held meiner frühsten Kindheit. In gewisser Weise auch mein Spiegelbild.
Und retrospektiv betrachtet sicher kein Held, den man mir damals aus FSK-Sicht hätte zumuten sollen. 

Interessant ist, dass auch mein Vater während seiner Sturm & Drang-Jahre (als Küchenchef) genau diesen Spitznamen – Dr. Richard Kimble – trug. Und es scheint, dass sich somit seit den frühen 90er Jahren ein bestimmter DNA-Strang im Familienerbgut manifestiert hat, der auch in den kommenden Generationen Rastlosigkeit, Ungeduld und Nicht-Warten-Können ausprägt. Genau die richtigen Voraussetzungen für das Brotbacken also!

Unruhe und Backen führen mitunter zu einigen Angewohnheiten, wie dem Verlagern von jeglicher Teigarbeit in familienfreie Morgen- und Nachtstunden zwischen 04:00 und 06:00 Uhr und 22:00 bis 24:00 Uhr, nachdem man Tags zuvor bis ca. 00:30 Uhr bis zum völligen Versagen der Augen auf der Suche nach der perfekten Rezeptidee in den hellweißen Abgrund des Handybildschirms gestarrt hat. Den Rest der Nacht verbringt man dann unruhig-wälzend in Sorge um die vorbereiteten Teige und Vorstufen. Das frühe aus-dem-Schlafzimmer-schleichen, um zu Backen, dient dann zum Teil dem Selbstschutz, weil man sich manchmal einfach seine Ruhe nehmen muss (wenn man sie sich nicht selbst geben kann).

Große Brötchen mit knackiger Kruste

Ich denke jeder von uns kennt das Problem, dass man dazu neigt, überviele Rezepte und Teige gleichzeitig führen zu wollen. I want it all – and i want it now. Was in einer professionellen Bäckerei Anlass für das Mitarbeiter des Monats-Foto ist, führt aber im Privaten Umfeld mindestens zu Platz- , viel häufiger jedoch zu Zeitproblemen. Gut, nur unter Druck entstehen Diamanten (oder ebenso harte Brotlaibe, bei denen man aus Ungeduld die Gare halbiert). Tommy Lee Jones: „Also herhören. Wir suchen einen Mann der seit 90 Minuten auf der Flucht ist. Unverletzt kann er vier Laibe auch in schwierigem Gelände schaffen!“

5 bis 10 Minuten auf Stufe 5

Adrenalin und Geschwindigkeit ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, wenn es um den körperschonenden Umgang mit Messern und Werkzeugen geht. Dies durfte ich kurz vor Weihnachten leider erfahren, als ich nach dem ersten glückseeligen Schnee- und Rodeltag mit Freunden als Frühstücksgästen am Abend „noch schnell“ einen Salat zubereiten wollte. Der folgenschwere Timingfehler (oder die Latenz meiner Nervenbahnen) von linker und rechter Hand führten dann zu einem glatten Querschnitt durch den linken Zeigefinger-Nagel.

Der Heilungsprozess, welcher nun nach einigem Warten und wirklich unangenehmen Schmerzen nun zumindest optisch vorüber ist, hatte nämlich auch Einfluss auf meine zweite Leidenschaft neben dem Backen, dem Musik machen. Mittlerweile habe ich die Gitarre mit gemischten Gefühlen schon wieder in die Hand genommen und bin relativ zuversichtlich, dass das Gefühl in der Fingerspitze zurückkehrt. Ein Lichtblick, denn sonst wäre das letzte Lied, das ich jemals gespielt haben würde, „Wie schön dass du geboren bist“ – ein allzu profanes Ende für eine Karriere als Rockavantgardist Schrägstrich Phil Collins-Ultra.

Der Segen einer gesteigerten Hurtigkeit zeigt sich immer dann, wenn es um den Haushalt oder den Garten geht. „Modus“ wird das bei uns genannt, und wenn man den erreicht, dann ist man quasi unstoppable. Egal ob es ums Brombeer-Entwurzeln geht oder um die komplette Wochenreinigung in unter 30 Minuten bevor Besuch kommt.

Shortcuts und Tricks auf dem schnellen Weg zum Brötchen



Nur beim Teig klappt das eben nicht. Denn Teig funktioniert nach eigenen Regeln und so sehr man sich auch anstrengt, beeilt und rödelt: Ohne Zeit bekommt man kein (nach meinen Ansprüchen) vernünftiges Brot hin. Diese Tatsache akzeptiere ich mittlerweile, vor Allem bei Brötchen. Um an einem Sonntagmorgen dennoch zu einer familienverträglichen Fütterungszeit zu kommen, muss ich mir teilweise also Abkürzungen einfallen lassen. Da wäre zum Einen eine lange kalte Stockgare über 20 bis 24 Stunden (wie bei den WBWVBOB-Brötchen) oder eben einer verkürzten Version eines Vollkorn-Vorteigs. Statt der üblichen 12 Stunden bei Raumtemperatur gehen unter gewissen Voraussetzungen eben auch 4-5 Stunden. Das erleichtert die Planung des (Ausflugs-) Samstags enorm. Eine leicht erhöhte Hefemenge (Im Rahmen der Genfer Konvention) verkürzt auch die Ein oder Andere Gare, ebenso wie darauf zu achten, dass der Teig wirklich auf Temperatur kommt. Hier ist es besonders wichtig, Teige, die man mit kühlschrankkalter Milch ansetzt, im Auge zu behalten. Lieber Milch vorher leicht anwärmen (handwarm) oder beim Kneten auf eine gute Erwärmung (Dauer) achten. Auch aktives Backmalz hilft, das Backergebnis bei recht kurzen Garen zu verbessern, wenn man es wirklich sehr dosiert anwendet. Die Kunst, mit wenig Zeit viel Geschmack zu erreichen, ist ein langer und steiniger Weg.

Vielleicht hilft dem Ein oder Anderem Hobbybäcker das Rezept für die „Krustis mit schnellem Vollkorn-Vorteig“.