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TIPP: Wenn ihr ein mindestens ebenbürtiges Rezept für Bäckerbrötchen OHNE Vorteige sucht, mit besserer Planbarkeit/Vorbereitungszeit:

Rezept für “Weizenbrötchen wie vom Bäcker” ohne Vorteig

… und nun zur Geschichte hinter diesem Brötchenrezept:

Never change a running system. (Rezept am Ende)
Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. So oder so ähnlich würde es eine bekannte Bank ausdrücken. Und wenn ich mal all das Mehl zusammenrechnen würde, aus dem ich Teig für Brötchen gemacht habe, mit denen ich nach dem Backen schlussendlich unzufrieden war, dann wäre dieser Betrag beeindruckend.


Und ich könnte offensichtlich ziemlich gut rechnen. Kann ich aber nicht, und das bringt uns zu einem der Kernprobleme meiner Teigsistenz.
Immer weitermachen, ein Leben am Limit der lichten Momente, in denen es mit tatsächlich gelingt 70% von einem Roggenmischbrot 70:30 auszurechnen. Eigene Rezept zu kreieren macht süchtig. Es macht Spaß. Es macht überheblich. JA OK, es ist wie Gott spielen.
Im Langzeitführungslabor entstehen bedachtvoll zusammengeschlonzte Massen die sich mal mehr, mal weniger wie echter Teig anfühlen. Vorsichtig versucht der Laborant, der sich mal mehr, mal weniger wie ein Wissenschaftler, oder zumindest nicht wie ein Obdachloser kleidet, durch ein letztes Quäntchen Malz-Haute Gout seine industriearomageschundenen Geschmacksnerven davon zu überzeugen, dass das im Mund gerade ein Profibrötchen ist. Wenn man die Augen zumacht. Immer schön Zutaten protokollieren, falls das RKI später wissen will, warum genau das einen jetzt plötzlich gegen Vogelgrippe immunisiert.


Kurz vor diesem Entdeckermoment, dem Mikado-Händewegaugenblick, stand sicher schon jeder. Dass der sich aber immer kurz vor Kacke befindet, wird einem erst klar, wenn der Drops gelutscht ist. Bisschen wie mit Analogfilm fotografieren.
Wie das Eine Mal, als sich über Geiz und Mehl unbeabsichtigt dekadente Drogeriearomen in einen Baguetteteig projezierten. Und ich hab mich beim Auspacken noch gewundert warum die 2021er Weizenernte trocken der Nase so ein fruchtiges Bouquet präsentiert.
Der Antrieb weiter zu machen und stets das gleiche eigene Rezept wieder und wieder durchzunudeln, ist entscheidend. Weil man dann erst auf die Feinheiten kommt, die handwerklichen Fehlern, Wurfgeschossballistik und dem Flausch-Knack-Verhältnis zu Grunde liegen.
Ich würde mal behaupten: mit dem nachfolgenden Rezept hab ich eine zumindest solide, peer-reviewfähige Datengrundlage für ein Standardbrötchen, dass voluminös, flauschig, aromatisch, knusprig gefenstert und relativ kontrolliert herzustellen ist. Und das schon seit mindestens 7 Versuchen. Daran werd ich auch nicht mehr rumtesten.


Dreh- und Angelpunkt ist die Kombination eines fest geführten Sauerteigs, in dem Roggenanstellgut Weizenmehl versäuert, Poolish und die Erkenntnis, dass die Stockgare mehr Einfluss hat als man gemeinhin annimmt. Um diese dennoch alltagstauglich kurz zu halten, kann durchaus mal 10g Hefe zum Einsatz kommen.

Bäckerbrötchen

Zubereitungszeit

30

Minuten
Gesamtzeit

1

Stunde 

10

Minuten

Standardbrötchen: voluminös, flauschig, aromatisch, knusprig gefenstert und kontrolliert herzustellen!

  • Sauerteig
  • 125g Weizenmehl 550

  • 50g Wasser (ca. 40 Grad)

  • 50g Roggen-Anstellgut (aus dem Kühlschrank)

  • Poolish
  • 125g Weizenmehl 550, besser feines Hartweizenmehl (Semola)

  • 125g Wasser (Raumtemperatur)

  • 0,3g Hefe

  • HAUPTTEIG (Teigtemperatur 23-24 Grad)
  • 500g Weizenmehl 550

  • 90g Roggenvollkornmehl

  • 20g Roggenmehl 1150

  • 200g Wasser (warm)

  • 40g Milch (Kühlschrank)

  • 30g Gerstenmalzextrakt, flüssig (inaktiv)

  • 15g Sonnenblumenöl

  • 15g Butter (kalt)

  • 15g Salz

  • 3g Backmalz (aktiv)

  • 1g Acerolapulver oder Vitamin C

  • 10g Hefe

  • Sauerteig
  • Alles mit einander zu einem sehr festen Teig vermischen und 12h an einem warmen Ort gehen lassen.
  • Poolish
  • Gründlich vermischen und 12h bei Raumtemperatur Reifen lassen.
  • Hauptteig
  • Alle Zutaten, bis auf Salz, Butter und Öl vermischen, ca. 10 Minuten gut auskneten. Am Ende Salz und Öl zugeben. Dann stückweise Butter dazugeben. Die Teigtemperarur sollte am Ende knapp 24 Grad betragen. Das stellt sicher dass die Fermentation gut in Gang kommt.
  • Stockgare
  • Entweder 2h warm im Backofen bei 35 Grad gegen lassen oder bis zur Verdopplung bei Raumtemperatur. Der Teig sollte wollig und sehr gut aufgegangen sein.
  • Stückgare
  • Den Teig vorsichtig auf die brmehlte Arbeitsfläche geben. Teiglinge zu ca. 90-100g abstechen und straff rundschleifen.

    15 Minuten Zwischengare abgedeckt.

    Dann erneut rundschleifen oder straff langstoßen oder Knüppel Formen.
    In Bäckerleinen abgedeckt 1h (Schnittbrötchen) bis 1,5h (Knüppel) mit Schluss nach oben bei Raumtemperatur gehen lassen.
  • Backen
  • Den Ofen inkl. 2 Blechen und Schwaden Gefäss gründlich auf 230 Grad Heissluft vorheizen (nicht Umluft).

    Vor dem Einschiessen die Brötchen mit guter Gare auf Backpapiere setzen, einschneiden und kräftig mit Wasser absprühen.

    In den Ofen auf 2 Ebenen geben und sofort sehr kräftig mit kochendem Wasser Schwaden.

    10 Minuten bei konstant 230 Grad backen. Schwaden ablassen und weitere 8-20 Minuten fertig backen. In den letzten 2 Minuten die Tür öfters kurz öffnen um Restfeuchte abzulassen.

    Nach dem Backen auf Gittern abkühlen lassen.